Von der hessischen Landtagsfraktion der AfD stammt ein Gesetzesvorschlag, welcher es dem politischen Gegner erlauben würde, Mitarbeiter vom Zugang zum hessischen Landtag auszuschließen. Ein missglückter Gegenvorschlag zu einem Entwurf der Altparteien. Ein Kommentar von Johannes Konstantin Poensgen

Man kann den Altparteien und ihren dienstbaren Beamtengeistern ja einiges vorwerfen, aber nicht, dass es ihnen an juristischer Phantasie mangelt. Da ein direktes Parteiverbotsverfahren ungewiss und mit vielen Risiken verbunden ist, versuchen die Klügeren unter ihnen irgendeine Version von „Parteiverbot light“ durchzudrücken: Maßnahmen, die kein offizielles Verbot darstellen, aber die Arbeit der Partei massiv behindern oder gar unmöglich machen. Darunter fallen Ideen wie die Streichung der Parteienfinanzierung.
Das hinterhältigste Mittel ist aber der Ausschluss von Mitarbeitern aus den Liegenschaften von Parlamenten unter dem Verweis auf „Sicherheitsbedenken“. Damit nutzt das Altparteienkartell eine Lücke im Grundgesetz. Parlamentarische Mitarbeiter sind unverzichtbar für die parlamentarische Arbeit, aber sie genießen als Personen nicht dieselben verfassungsmäßigen Schutzrechte wie ein Abgeordneter. Eine entsprechende Gesetzesinitiative für Hessen hat die Präsidentin des hessischen Landtags, Astrid Wallmann (CDU), eingebracht. Mit dieser Initiative versucht sie dem Landtagspräsidenten, also sich selbst, ein de facto Vetorecht über die Mitarbeiter anderer Abgeordneter und Fraktionen zuzuschustern.
Die AfD-Fraktion Hessen hat selbst ein solches Gesetz eingebracht!
Anstatt sich rundheraus dagegen zu verwahren, hat die AfD-Fraktion Hessen es für richtig befunden, einen Gegenentwurf einzubringen, der sich in einem wichtigen Punkt vom Entwurf der Landtagspräsidentin unterscheidet, aber sonst fast vollständig identisch ist. Der Unterschied betrifft die Bezahlung von Mitarbeitern, die nach diesem Gesetz ausgeschlossen würden. Diese Bezahlung würde, sollte der Gesetzesentwurf der AfD so angenommen werden, weiterlaufen. Nach dem Antrag von Wallmann würden diese Mitarbeiter ihr Einkommen verlieren.
Nun, wenn es die geringste Chance gäbe, dass die Altparteien ausgerechnet hier die Brandmauer brechen und für einen Antrag der AfD stimmen, dann könnte man diesen Gegenvorschlag zumindest verstehen. Auch wenn man sich, wenn die Brandmauer fällt, natürlich niemals auf irgendein derartiges Gesetz einlassen würde! Aber die Besoldung der Mitarbeiter ist keine Nebensächlichkeit, wie das manche meinen, die Politik für ein Hobby halten. Da hängen Lebensschicksale und Familien dran. Viele Mitarbeiter haben sich durch ihre Arbeit für die AfD ihre Berufsaussichten in ihren ursprünglichen Tätigkeitsfeldern ruiniert. Manches ist also verständlich.
Aber es gibt doch nicht die geringste Chance, dass dieser Gegenentwurf der AfD angenommen wird! Und was erreicht man? Die AfD-Fraktion legitimiert damit selbst die hinterhältigste und eine der gefährlichsten Maßnahmen gegen die AfD – und zwar nicht nur in Hessen, sondern bundesweit. Wie soll man denn jetzt die Legitimität dieser Angriffe auf die Mitarbeiter angreifen, nachdem man einen eigenen Antrag dazu eingebracht hat?
Der „Gegenentwurf“
Der Gegenentwurf trägt den Namen „Gesetz zur Änderung des Hessischen Abgeordnetengesetzes und des Hessischen Fraktionsgesetzes“ und die Drucksachennummer 21/2598. Er stammt vom 28.08.2025. Beigemerkt ist, dass es sich um eine Eilausfertigung handle. Das könnte manches entschuldigen. Aber nicht, dass man sich diese Forderung zu eigen macht:
„Die Benutzung der im Landtag vorhandenen Einrichtungen, insbesondere der Zugang zu den Räumen und den Informations- und Kommunikationseinrichtungen, kann zum Zwecke des Schutzes der Arbeits- und Funktionsfähigkeit sowie Ordnung und Würde des Landtags (parlamentarische Schutzgüter) an die Erfüllung von Auflagen geknüpft, auf sonstige Weise beschränkt oder ausgeschlossen werden. Die Entscheidung obliegt der Präsidentin oder dem Präsidenten in Ausübung des Hausrechts.“
Die Entscheidungsgewalt liegt also schon einmal beim politischen Gegner, denn der besetzt das Präsidium in einem deutschen Parlament. Bisher übrigens immer unter Ausschluss der AfD, unter Bruch allen parlamentarischen Gewohnheitsrechts, aber das nur am Rande. Dieser politische Gegner erhielte damit ein Vetorecht über die Personalpolitik der AfD, denn wer keinen Zugang zum Landtag hat, keinen Zugang zu „Informations- und Kommunikationseinrichtungen“, also Datenbanken, E-Mail-Konten etc., kann auch nicht als Mitarbeiter der Fraktion oder von einzelnen Abgeordneten arbeiten.
Wie sieht es mit der Entscheidungsgrundlage aus? Die Grundlage für eine solche Maßnahme sieht die AfD-Fraktion Hessen unter anderem sein:
„dass das einfache Führungszeugnis gem. § 30 Bundeszentralregistergesetz der betroffenen Person einen Eintrag wegen einer vorsätzlichen Straftat enthält, die konkret besorgen lässt, dass die betroffene Person die Arbeits- und Funktionsfähigkeit oder die Ordnung und Würde des Landtags gefährdet oder konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen,“
oder
„dass die betroffene Person innerhalb der vergangenen fünf Jahre […] aktiv für die verfassungsfeindliche Ausrichtung oder Zielsetzung einer Bestrebung im Sinne des § 2 Abs. 2 Nummern 1, 3 und 4 HVSG eingetreten ist.“
Andere, politisch nicht relevante Grundlagen wie Mitgliedschaft in der organisierten Kriminalität etc. lassen wir hier außen vor. Sie dienen nur dazu, dem ganzen Vorhaben die dünnste Tünche an Legitimität zu verleihen.
Sehen wir uns diese beiden Gründe einmal an. Eine vorsätzliche Straftat, das ist nicht nur Raub, Mord und Totschlag – darum geht es nicht im Geringsten. Es umfasst sämtliche Meinungsdelikte. Wer wegen Volksverhetzung auch nur einen Registereintrag hat, kann damit von der Arbeit im hessischen Landtag ausgeschlossen werden. Benedikt Kaiser merkte an, dass das auch für Frank Grobe gelten würde, dessen Name als Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion Hessen unter diesem Gegenentwurf steht, wenn er nur Mitarbeiter und kein Abgeordneter wäre. Er musste kürzlich 750 Euro zahlen, weil er zu Altparteienpolitikern gesagt hatte: „Sie haben Blut an Ihren Händen.“
Eine verfassungsfeindliche Ausrichtung oder Zielsetzung einer Bestrebung im Sinne des § 2 Abs. 2 Nummern 1, 3 und 4 HVSG ist nichts anderes als die Einstufung durch den Verfassungsschutz – und genauso willkürlich. Oder, wie der Jurist sagt: Sie ist der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe unterworfen. In der Praxis läuft das so: Man bekommt dieses Etikett aufgeklebt und dann darf man dagegen klagen – viel Glück! Jeder Politiker in der AfD weiß das. Die Partei hat ja nun oft genug mit eben diesen Mechanismen zu tun gehabt.
Warum?
Das bringt uns zu der unangenehmen Frage, die dieser Gegenantrag in den Raum stellt: Warum? Warum beantragt die AfD-Fraktion Hessen ein solches Gesetz? Ein Antrag, mit welchem die AfD selbst genau die Machtbefugnisse legitimiert, die das Altparteienkartell sich gegen die AfD wünscht? Ein Gesetz, welches die Personalhoheit, das wichtigste Autonomierecht jeder Organisation irgendwo auf diesem Planeten, an den politischen Gegner abtritt? Ein Gesetz, das dem politischen Gegner ein Veto über die nächste Generation an AfD-Politikern gibt? Denn das wäre die langfristige Konsequenz. Jetzige Abgeordnete wären nicht selbst betroffen, aber einer der üblichsten Wege, um Abgeordneter zu werden, ist, erst einmal Mitarbeiter eines Abgeordneten zu sein. Politiker ist ein Ausbildungsberuf.
Ein Gegenantrag hat in die andere Richtung zu gehen!
Um sich auf Facebook als Rechtsstaatspartei zu bezeichnen? Wirklich? Dafür? Haben manche nach zwölf Jahren immer noch nicht gemerkt, wie die Kartellparteien ihr Spiel spielen? Dass man im parlamentarischen Betrieb einen Gegenantrag einbringt, ja. Aber doch nicht den Antrag der Altparteien – nur um eine ihrer Forderungen gekürzt! Wenn, dann bringt man ein Gesetz ein und vor die Öffentlichkeit, denn darum geht es, das die Rechte parlamentarischer Mitarbeiter ausdehnt. Man könnte zum Beispiel ihre geheimdienstliche Überwachung erschweren. Etwas mehr Phantasie, bitte!