Amerika nach dem Attentat

Das erste Entsetzen über die Ermordung Charlie Kirks ist verfolgen. Jetzt sollen Maßnahmen ergriffen werden. Welche? Darüber kann Amerika sich nicht einigen. Ein zerstrittenes Land mit zielloser Führung. Von Johannes Konstantin Poensgen

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(Charlie Kirk: Gage Skidmore, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

In einem gesunden Land lässt ein politischer Mord die die unterschiedlichen Lager zusammenrücken. In einem gespaltenen Land sammelt sich ein politisches Lager zumindest um seine Märtyrer. Statt nationaler Versöhnung lachten die Linken der Witwe ins Gesicht. Das ist Verrohung, aber ab einem gewissen Punkt der Polarisierung zu erwarten. Viel gravierender ist, daß offenbar auch die amerikanische Rechte nicht weiß, was sie nun tun soll. Allen Appellen zur Einigkeit zum trotz hat diese Einigkeit vielleicht zwei Tage gehalten.

Zwei Punkte zerreißen die amerikanische Rechte seit Kirks Ermordung: Der eine ist die Frage, wie man auf die Ermordung reagieren soll, welche Konsequenzen gezogen werden und welche Maßnahmen ergriffen werden sollen. Zum anderen hat die Ermordung Amerikas Verhältnis zu Israel und der Regierung Netanyahu ins Rampenlicht gezerrt.

Bekämpfung von Hassrede? Ernsthaft?

Justizministerin Pam Bondi erklärte, die Linke nun wegen Haßrede verfolgen zu wollen. Bondi ist dieselbe Person, die erst erklärte, die Epsteinliste auf ihrem Schreibtisch zu haben, um nachher zu behaupten, es gäbe keine Epsteinliste. Eigentlich war der Hardliner Matt Gaetz für den Posten des Justizministers vorgesehen worden. Stattdessen kam Bondi. Er wurde noch vor Trumps Amtsantritt durch einen Sexskandal aus dem Rennen genommenSie verwendete genau dieses Wort: „hate speech“. Nur „Hate speech“ ist nur einmal kein neutrales Wort, sondern ein linker Kampfbegriff. Das Problem vieler Rechter ist an diesem Punkt gar nicht, daß man der Linken ihre eigene Medizin zu schlucken gäbe.

Über die Bedenken des „was ist dann wenn die das machen?“ sind die meisten Ami-Rechten seit dem BLM-Sommer 2020, der Verfolgung der Demonstranten vom 6. Januar und der Präsidentschaft Biden hinweg. Aber gerade die aktiven, politische wachen Teile des rechten Lager fragen sich, wie man so dumm sein kann, nach dem aufsehenerregendsten Mord an einem rechten Aktivisten einen linken Frame zu festigen.

Oder doch das Mafiagesetz?

Die große Sorge ist, daß die Regierung Trump, von der man nun seit Januar schon einige Enttäuschungen erlebt hat, nun auch diese Gelegenheit verschenken wird, die Strukturen der gewaltbereiten Linken zu zerschlagen. Das ist es ja, was Trump selbst und vor allem sein Chefberater Steven Miller angekündigt hatten: Die Eröffnung von RICO-Verfahren. Der RICO-Act, Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act, ist in den Vereinigten Staaten die wichtigste Rechtsgrundlage zur Bekämpfung organisierter Kriminalität.

Es wurde gezielt geschaffen um die Köpfe des organisierten Verbrechens zur Verantwortung zu ziehen, nicht nur die Handlanger. Es erlaubt kriminelle Vereinigungen anhand der Geldströme zu identifizieren und alle Beteiligten zu Verurteilen. Bereits zwei Wochen vor (!) Charlie Kirks Ermordung hatte Trump öffentlich mit dem Gedanken gespielt dieses Gesetz gegen das Netzwerk des Milliardärs George Soros anzuwenden. Soros ist uralt und allen Berichten zu folgen senil. Eher würde eine Anklage auf Georges Sohn Alex zielen.

Terrorbekämpfung oder Symbolpolitik?

Die Frage auf deren Beantwortung alle warten lautet: Wird die Regierung Trump nun ernsthafte Maßnahmen ergreifen, oder bleibt es bei Symbolpolitik? Werden die Netzwerke die linksextreme Gewalttaten anstiften, organisieren und hinterher die Rechnungen für die Anwälte von Terroristen bezahlen zerschlagen? Jede langfristige Initiative dafür müsste eben vom Justizministerium unter Pam Bondi ausgehen. Bondi ist momentan damit beschäftigt den Mitarbeiter einer Druckerei zu verfolgen, der sich weigerte Gedenkblätter für Charlie Kirk zu drucken. Unter normalen Umständen würden die meisten erst einmal abwarten, doch zwischen Epstein und Irankrieg hat die Regierung Trump bereits sehr viel politisches Kapital verspielt.

Kirk und Israel

Epstein und der Irankrieg bringen das Attentat auf Charlie Krik mit der heißesten Streitfrage der amerikanischen Politik in Verbindung: Wie stehst du zu Israel? Nach Kriks Tod vermuteten einige sogar eine direkte israelische Beteiligung an dem Attentat. Der Grund: Krik, lange Jahre ein Unterstützer des Judenstaates war in den letzten Monaten immer kritischer geworden. Ob er tatsächlich ein 150 Millionen Dollar von Netanyahu ausgeschlagen hat, lässt sich zur Zeit nicht mit letzter Sicherheit sagen, aber viel zu viele Personen, von Tucker Carlson bis zu Trumps altem vertrauten Roger Stone haben Kriks Ablehnung gegenüber Netanyahu bestätigt. Ebenso den Druck, den einige Spender von Kriks Organisation Turning Point USA deshalb in den letzten Monaten auf ihn ausgeübt haben.

Israels unterstützung ist innerlich ausgehölt


Nun ist es, da man jetzt den Schützen wohl hat und seinen Hintergrund in den geistig labileren Bereichen der Transenszene kennt, sehr unwahrscheinlich, dass Israel dahinter steckt. Tatsächlich zeigt Kriks Wandlung in seinen letzten Monaten etwas viel gravierenderes, als die Beteiligung des Mossads an einem Attentat: Die Unterstützung Israels unter der jüngeren konservativen Elite ist in den vereinigten Staaten extrem dünn geworden. Die Greueltaten der israelischen Armee in Gaza haben die einst Bombenfeste Unterstützung von innen ausgehöhlt.

Charlie Kriks antiisraelischer Wandel vor seinem Tod ist kein Beweis für ein Attentat. Es ist vielmehr folgendermaßen: Wenn eine bekannte Person ermordet wird, dann interessieren sich selbstverständlich alle für das, was dieser Mensch in seinen letzten Tagen so gemacht hat. Gespräche, Textnachrichten, Telefonanrufe, vieles davon kommt dann auch an die Öffentlichkeit. Aussagen, wie die Kirks über Netanyahu dürfte man zur Zeit bei den meisten rechten und konservativen Influencern, Intellektuellen und Medienpersönlichkeiten Amerikas finden. Allein die Anzahl derjenigen, die sich nun offen zu solchen Gesprächen mit Kirk geäußert haben, belegt es.

Amerika nach Trump

Die Regierung Trump hingegen ist die proisraelischste der amerikanischen Geschichte. Diese Diskrepanz wird irgendwann zum tragen kommen. Spätestens, wenn Trump nicht mehr da ist. Man bedenke: Der Mann ist 79. Spätestens mit dem Ende seiner Präsidentschaft werden die Nachfolgekämpfe ausbrechen und die Karten neu gemischt. Im Spiegel der Ermordung Charlie Kirks, zeigen sich die Bruchlinien