Das traditionsreiche IJzertreffen der flämischen Nationalbewegung bei Ypern wächst. Unter neuer Leitung – junge Patrioten haben die Organisation übernommen – präsentierte sich die zweitägige Veranstaltung bei bestem Sommerwetter und bot den Teilnehmern ein abwechslungsreiches Programm.

Nachfolge der legendären IJzerbedevaart in Diksmuide
Die Veranstaltung war hervorragend organisiert. Ein großer Markt mit zahlreichen Ständen, ein Schmied und ein Bildhauer, die ihr Handwerk vorführten, sowie ein breites kulinarisches Angebot sorgten für Abwechslung. Ein großes Areal bot den Kindern vielfältige Möglichkeiten für Spiele und Aktivitäten.
Unter den Gästen befanden sich neben zahlreichen flämischen Persönlichkeiten, mehreren Abgeordneten der flämisch-nationalistischen Partei Vlaams Belang, auch die deutsche Europaabgeordnete Irmhild Bossdorf (AfD).
Die Wurzeln des IJzertreffen liegen in der einer Wallfahrt, der IJzerbedevaart, die nach dem Ersten Weltkrieg alljährlich im Gedenken an die gefallenen flämischen Soldaten, abgehalten wurde. Dementsprechend gut besucht war am Sonntag der katholische Gottesdienst. Das Gedenken an die im Ersten Weltkrieg an der Yserfront gefallenen Soldaten, viele von ihnen Flamen, die innerhalb der belgischen Armee benachteiligt wurden, ist bis heute ein wunder Punkt in der flämischen Erinnerungskultur. Aus dieser Erinnerung erwuchs ein stark nationalistischer Unterton, der im Leitspruch „Nooit meer oorlog, zelfbestuur“ („Nie wieder Krieg, Selbstbestimmung“) bis heute Ausdruck findet.
Gedenken und Geselligkeit
Der Auftakt erfolgte am Samstagmittag mit einer Gedenkwanderung. Entlang zahlreicher Soldatengräber und ehemaliger Schützengräben aus den Kämpfen des Ersten Weltkriegs gedachten die Besucher den Gefallenen und reflektierten die historische Bedeutung der Region. Am Abend lud das Komitee zu einem geselligen Beisammensein ein: Belgische Spezialitäten wie Fritten und andere frittierte Leckereien sorgten für kulinarische Begleitung. Der anschließende Kameradschaftsabend bot ein abwechslungsreiches Musikprogramm, bei dem sowohl flämische als auch deutsche Lieder vorgetragen wurden – ein Programmpunkt, der bei vielen Teilnehmern großen Anklang fand.
Besonders hervorgehoben wurde das kulturelle Rahmenprogramm, das sich über beide Tage erstreckte. Neben Musik und Vorträgen gab es auch Podiumsdiskussionen, in denen historische und politische Themen vertieft behandelt wurden. Im Mittelpunkt standen Fragen von Identität, Selbstbestimmung und kulturellem Erbe – Aspekte, die dem IJzertreffen seit jeher seinen besonderen Charakter verleihen.
Politischer und historischer Hintergrund
Nach dem Zweiten Weltkrieg wandelte sich das Treffen zunehmend zu einer Großkundgebung flämischer Nationalisten. Zeitweise war es auch von Kontroversen geprägt, da verschiedene politische Strömungen – vom christlich-sozialen Lager bis hin zur radikalen Rechten – um Einfluss auf die Symbolik der Veranstaltung rangen. In den letzten Jahren bemühten sich die Organisatoren jedoch um eine stärkere Öffnung hin zu einem „kulturellen Volksfest mit politischem Anspruch“.
Das IJzertreffen steht damit im Spannungsfeld des belgischen Identitätskonflikts. Während Flandern im Norden wirtschaftlich prosperierte und immer lauter nach größerer Autonomie strebt, verlor das französischsprachige Wallonien nach dem Niedergang der Schwerindustrie an Bedeutung und hält stärker am föderalen Belgien fest. Das Treffen gilt sowohl als Symbol dieser Spaltung als auch als Ort der Pflege flämischer Identität.
Bedeutung heute
Auch in diesem Jahr wurde deutlich: Die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg ist eng verknüpft mit Fragen kultureller Zugehörigkeit und politischer Selbstbestimmung. Das Treffen in Ypern macht sichtbar, dass der belgische Sprach- und Identitätskonflikt nicht allein ein politischer, sondern tief historisch verwurzelter Konflikt ist.
Die Vereinigung IJzerwake nutzte die Veranstaltung, um für die Schaffung eines eigenständigen flämischen Heeres zu plädieren. Gleichzeitig wurde Kritik an der föderalen Regierung geübt, die nach Ansicht vieler Redner die flämischen Interessen weiterhin unzureichend vertrete.
Die wachsende Besucherzahl deutet darauf hin, dass das IJzertreffen weiterhin eine hohe Relevanz für viele Flamen hat – sei es als Ort des Gedenkens, als kulturelles Volksfest oder als politische Kundgebung.
