Der große Demoralisator

Netanyahu schlägt Trump für den Friedensnobelpreis vor. Warum nicht auch das noch? Trump hat die Verarschung schließlich zur Kunstform erhoben. Wenn nichts sich ändern lässt. Warum sollten die Leute nicht einfach abschalten? Von Johannes Konstantin Poensgen

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(The White House, Public domain, via Wikimedia Commons)


Donald Trump ist noch nicht einmal seit einem halben Jahr im Amt, und die Hoffnungen, die sich an eine zweite Amtszeit geknüpft hatten, sind in heißer Luft aufgelöst. Was immer Trumps Wähler sich davon versprochen haben, ihn ein zweites Mal zu wählen – es ist Geschichte.

Ende der Neuverschuldung? Nein, fünf Billionen US-Dollar neue Schulden.

Reindustrialisierung? Stattdessen ein kurzer Zollkrieg, in dem er bald einknickte und dessen einziger Erfolg, wenn überhaupt, darin besteht, dass die Europäer jetzt fünf Prozent für Rüstung ausgeben.

Wo wir beim Thema sind: Keine neuen Kriege? Stattdessen Beteiligung an Israels Iran-Krieg.

Beendigung des Krieges in der Ukraine? Lol.

Abschiebungen? Die Grenzschutzbehörde ICE bekommt ein Budget, das größer ist als der Militärhaushalt fast aller Länder des Planeten: 170 Milliarden Dollar. Währenddessen arbeitet Trump an einer Amnestie für Illegale im Agrar- und Hotelsektor. An der demografischen Verdrängung der weißen Amerikaner wird sich unter Trump nichts ändern.

Der Mädchenhändler Jeffrey Epstein hat sich auf einmal doch selbst erhängt. Wer seine Kunden waren, weiß man nicht, obwohl die Liste nach Aussage der Justizministerin im Februar auf ihrem Schreibtisch lag.

Den Zirkus um die Epstein-Liste sollte man nicht unter ferner liefen oder gar als Verschwörungstheorie abtun. Diese Absurdität hat dieselbe Wirkung, die Alexander Solschenizyn einmal als Charakteristikum sowjetischer Propaganda herausstellte: Sie überzeugt nicht, sie demoralisiert. Gerade weil die Behauptung, dass die Ziele des Agrarplans übererfüllt wurden, während Menschen hungern, so absurd ist, führt sie jedem Einzelnen die Unmöglichkeit des Widerstands vor Augen. Die offene Lüge, der absurde Zirkus, bei dem doch jeder mitspielen muss, ist die deutlichste, unmissverständlichste Demonstration der Macht.

Es ist dasselbe Prinzip, das den Pronomina der Transsexuellen zugrunde liegt. Die Angeklagte im Hammerbandenprozess in Ungarn heißt Maja. Ich hoffe, ich höre da keinen Widerspruch.Im Vorfeld der zweiten Amtszeit Trumps wurde viel über diese oder jene Folgen gesprochen. Welche Politik würde er machen, welche Auswirkungen hätte seine Wahl auf die Meinungsfreiheit?

Was wir, denke ich, alle unterschätzt haben, ist eine Folge, die zum einen die USA als mit Abstand größte westliche Demokratie, aber auch alle anderen westlichen Länder mitbetreffen wird: die große Demoralisierung.

Als gewählter Populist ist Trump eine deutlichere Demonstration der Machtlosigkeit des Wählers, als es ein Establishmentpolitiker wie Biden oder auch Merz je sein könnte. In Deutschland ist das etwas, was wir noch nicht ganz begreifen. Die Brandmauer schützt auch die Illusionen. Aber das droht die Folge der Trumps, der Melonis und aller anderen zu werden: dass die Leute einfach abschalten.