Epsteins „Madam“ will aussagen

Wenn die Informationen der Daily Mail stimmen, dann ist das eine Bombe und eine Riesenklatsche für Donald Trump. Ghislaine Maxwell, die Lebensgefährtin Jeffrey Epsteins, will aussagen.

Das aktuelle Bild hat keinen Alternativtext. Der Dateiname ist: Maxwell-Epstein-Clinton.png

(Maxwell, Epstein und Clinton im Weißen Haus 1993: Ralph Alswang, White House photographer, Public domain, via Wikimedia Commons)

Ghislaine Maxwell will vor dem amerikanischen Kongress aussagen. Das berichtet die Daily Mail unter Berufung auf Quellen in ihrem Umfeld. Maxwell ist 63 Jahre alt. Sie ist die Tochter des britischen Unternehmers und israelischen Agenten Robert Maxwell, der 1923 in der Tschechoslowakei als Ján Ludvik Hoch geboren wurde und 1991 tot im Wasser vor den Kanarischen Inseln aufgefunden wurde, nachdem er irgendwie von seiner Jacht gefallen war, die er dem saudischen Waffenhändler Adnan Kashoggi abgekauft hatte, dem Onkel von Jamal Kashoggi, der 2018 im saudischen Generalkonsulat in Istanbul ermordet wurde. Eine illustre Herkunft also.

Bekannt wurde Ghislaine Maxwell aber als Lebensgefährtin und „Madam“ Jeffrey Epsteins. Dafür sitzt sie zurzeit eine zwanzigjährige Haftstrafe wegen Zuhälterei von Minderjährigen ab. Als Einzige unter allen mit Epstein in Verbindung gebrachten Personen. Sieht man von Epsteins Komplizen Jean-Luc Brunel ab, der 2020 in Frankreich verhaftet wurde und ebenfalls vor Prozessbeginn in der Haft ums Leben kam.

Zuhälter ohne Kunden?

Dieses Fehlen weiterer Anklagen war es, was den Fall Epstein von Anfang an so verdächtig gemacht hat. Denn Zuhälter haben für gewöhnlich Kunden und die wären bei minderjährigen Prostituierten ja auch dran. Deshalb fordern seit Epsteins angeblichem Selbstmord in Untersuchungshaft 2019 verschiedenste Personen, dass die Identität dieser Kunden endlich öffentlich gemacht wird. Während des Wahlkampfs von Donald Trump war dies versprochen worden. Jetzt will man davon nichts mehr wissen. Justizministerin Pam Bondi, die noch im Februar erklärte, sie habe Epsteins Kundenliste auf ihrem Schreibtisch und werde sie jederzeit veröffentlichen, erklärt nun, dass diese Liste nicht existiere und Epstein doch Selbstmord begangen habe.

Das Problem: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei Epsteins Kunden nicht bloß um irgendwelche Nobodys. Epstein und Maxwell waren in der amerikanischen High Society mehr als gut vernetzt. Es gibt kaum eine Berühmtheit aus Politik, Wirtschaft und Kultur, von der kein gemeinsames Foto mit Jeffrey und Ghislaine existiert, von Clinton bis Trump. Von Bill Clinton ist auch durch Logbücher aktenkundig, dass er mindestens 26-mal mit Jeffrey Epsteins Privatflugzeug geflogen ist. Epsteins und Maxwells Kunden waren also in der obersten Riege der amerikanischen Elite.

Kein QAnon-Pädophilenkult, sondern professioneller Erpresserring

Um das System Epstein zu verstehen, muss man begreifen, dass das kein satanischer Pädophilenkult war, wie ihn sich QAnon-Jünger herbeiphantasieren. Was immer man über unsere Eliten denkt, für Sechsjährige ist auch dort der Markt überschaubar. Bei 16-Jährigen sieht das aber anders aus. Epstein hat etwas gemacht, was in gewissen Gesellschaftskreisen erst einmal nicht so ungewöhnlich ist: Partys veranstaltet, auf denen junge Frauen eingeladen waren, von denen klar war, dass sie durchaus willens waren, mit einem der Gäste aufs Zimmer zu gehen. In Epsteins Fall waren die jungen Frauen dann nicht – oder zumindest nicht alle – schon 18, manche auch nur 16 oder 17. Damit hat er sehr geschickt die rechtliche Grauzone genutzt. Geschlechtsverkehr mit einem erwachsenen Mann wäre legal, solange es keine Prostitution ist. Und was ist da Prostitution? Es war ja nicht so, dass Epstein wie ein Straßenzuhälter agiert hätte, sondern er hat zu Partys eingeladen, auf denen gewisse Erwartungen vorhanden waren, die zu erfüllen dann vor allem Maxwell den Mädchen gut zuredete. Nach Aussage der von Epsteins Sexring missbrauchten Virginia Giuffre sowie der ehemaligen Buchhalterin Maritza Vasquez wurden viele der Mädchen offiziell über die von Epstein und Jean-Luc Brunel gegründete Modelagentur MC2 Model Management engagiert und bezahlt. Einen gerichtsfesten Fall daraus zu machen, ist nicht so einfach wie es scheint.

Gleichzeitig ist Sex zwischen Erwachsenen und Minderjährigen – selbst, wo er legal ist – ein großes Tabu. Das heißt: Selbst wenn sie sich nicht persönlich strafbar gemacht haben sollten, waren Epsteins Gäste danach erpressbar. Darin liegt die politische Sprengkraft des Falles. Denn wer hat dieses Erpressungsmaterial genutzt? Als wahrscheinlichste Antwort gilt vielen Israel. Schon aufgrund von Maxwells persönlichem Hintergrund, aber auch wegen Epsteins langjähriger geschäftlicher und persönlicher Beziehungen zum ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak. Die von Epstein geleitete Wexner Foundation gab Barak 2004 2,3 Millionen Dollar, und 2015 investierte Epstein Millionen in ein von Barak gegründetes Start-up-Unternehmen. Barak selbst besuchte Epstein mehrmals zu Hause und auch auf dessen Privatinsel, bestreitet aber, Sexpartys besucht zu haben.

Die Regierung Trump hat entschieden, die Epstein-Sache unter Verschluss zu halten – aus welchen Gründen auch immer. Trump selbst hat mehr als deutlich gemacht, dass er von dem Thema nichts mehr wissen will. Sollte Maxwell tatsächlich vor dem Kongress aussagen, könnte das eine Bombe werden. Maxwell selbst hat nichts zu verlieren. Mit 63 hat sie noch fast zwanzig Jahre Haft vor sich. Zurzeit versucht sie, eine Revision vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten zu erwirken. Sollte Maxwell doch nicht aussagen, oder sollte sie gar das wie Epstein und Brunel ein vorzeitiges Ende finden, wird das das sowieso schwer angeschlagene Vertrauen der Amerikaner in ihr System weiter ruinieren.