Idiocracy abgewendet?

Eine bahnbrechende Studie zeigt: Reiche bekommen in Europa inzwischen wieder mehr Kinder als Arme. Hat Sarrazin sich am Ende doch geirrt?

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(Bildmontage: Offensiv Informiert!; Gähnender Säugling: Martin Falbisoner, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons; Euronoten: Avij (talk · contribs), Public domain, via Wikimedia Commons)

Jeder kennt die Eingangsszene des Films Idiocracy: Während ein Akademikerpärchen endlos über die Voraussetzungen, ein Kind großzuziehen, grübelt, pflanzt sich ein Paar aus der Unterschicht ungebremst, ohne irgendwelche Überlegungen, fort. Schließlich stirbt der Akademikermann bei der Masturbation zwecks Samenentnahme für künstliche Befruchtung an einem Herzinfarkt. Einige Generationen später ist die Welt nur noch von Idioten bevölkert.

Hat sich Sarrazin doch geirrt?

Was der Film von 2006 humorvoll auf die Schippe nahm, das war und ist eine ganz reale Sorge von Demografen und Humangenetikern. Während über die meiste Zeit der Vergangenheit die Oberschicht mehr Kinder großzog als die Unterschicht – nicht zuletzt, weil die Kindersterblichkeit in der Unterschicht astronomisch war –, änderte sich dies mit der modernen Medizin und den besseren Lebensbedingungen. Über diesen Fortschritt ist zunächst einmal jeder dankbar.

Aber schon Charles Darwin machte sich Gedanken darüber, wohin das führen könnte: Intelligenz und Einkommen hängen eng miteinander zusammen. Wenn jetzt die Armen sich schneller fortpflanzen als die Reichen, dann hätten wir irgendwann tatsächlich keine Fachkräfte mehr, um eine moderne Zivilisation am Leben zu halten. In Fachkreisen nennt man diese Gefahr Dysgenik.

Das berühmte Buch von Sarrazin Deutschland schafft sich ab von 2010 behandelt nicht nur die Einwanderung, sondern auch dieses Problem der Dysgenik. Und es schien ein unlösbares Problem. Denn welche politischen Maßnahmen sollte man denn treffen, um hier irgendetwas zu ändern? Letztlich musste jede wirksame Maßnahme an den Grundgeboten der Humanität scheitern. Doch nun zeigt eine Studie der Universität Florenz, dass sich das Problem vielleicht von selbst löst.

Besserverdiener werden häufiger Vater

Die Langzeitstudie „A research not on the increasing income prerequisites of parenthood. Country-specific or universal in Western Europe?“ untersuchte von 2006 (zufällig das Erscheinungsjahr von Idiocracy) bis 2020 die Auswirkung des Einkommens auf die Wahrscheinlichkeit, sein erstes Kind zu bekommen. Durchgeführt wurde sie in verschiedenen europäischen Ländern. Deutschland ist leider nicht darunter, aber Österreich und die Schweiz. Die untersuchten Länder unterscheiden sich teilweise stark, aber die Richtung ist unverkennbar: Entgegen der Annahme von Idiocracy werden besserverdienende Männer, auch schon mit 20 Jahren, häufiger Vater. Diese Unterschiede sind in den meisten Ländern sogar gestiegen. Anders sah es oft bei den Frauen aus.

Besserverdienerinnen werden inzwischen häufiger Mutter

Anders sah es früher oft bei den Frauen aus. Für eine gutverdienende Frau ist eine Mutterschaft eine höhere Belastung und beschädigt die Karriere. Daher die klassische Kinderlosigkeit der Akademikerin. Aber dies hat sich nun in den meisten europäischen Ländern gedreht – unter den untersuchten Ländern vor allem in Irland, Österreich und Luxemburg. Diese Länder haben eine Hundertachtzig-Grad-Wende hingelegt. 2006 bekamen dort Unterschichtenfrauen deutlich mehr Kinder als Oberschichtenfrauen, heute ist es umgekehrt.

Geburtenraten sind immer noch katastrophal

Was in dieser Studie nicht erfasst wird, ist die Geburtenrate insgesamt. Die ist weiterhin katastrophal. Die Renten der Boomer werden von dieser Entwicklung nicht bezahlt werden. Aber wenn sich diese Ergebnisse auf die gesamte demografische Lage übertragen lassen, dann sind sie doch die beste Nachricht seit Langem. Ja, wenn die finanzielle Situation mehr Leute an der Familiengründung hindert, dann werden wir eine soziale Debatte haben, aber dafür hätten wir ein scheinbar unlösbares Problem weniger.

Aufruf: Wenn Sie in diesem Fachgebiet beschlagen sind, oder einfach als Statistiker diese Studie überprüfen können, dann schreiben Sie uns doch Ihre Einschätzung an kontakt@offensiv.info