Die Performancekünstlerin Marla Svenja Liebich, die heute eine Haftstrafe wegen Meinungsdelikten antreten sollte, hat das Land verlassen.

Die als Sven Liebich geborene Künstlerin hätte diesen Abend aufgrund von Meinungsdelikten eine Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten antreten sollen. Dieser Staat, der die Menschenrechte rechtsradikaler Transfrauen mit Füßen tritt, versuchte, sie zuerst ins Männergefängnis einzuweisen. Nur aufgrund des standhaften Protestes vieler Gefährt*innen konnte schließlich durchgesetzt werden, dass Marla ihre Haft im Frauengefängnis Chemnitz absitzen sollte.
Zahlreiche Unterstützer*innen hatten sich vor der Haftanstalt versammelt. Die Künstlerin war leider unpässlich, und so konnte nur eine Tonspur folgenden Inhaltes von ihr abgespielt werden:
„Liebe Anwesenden, Familie, Freunde, Follower, meine liebe anwaltliche Vertretung, hassgeliebte Pressevertreter*innen,
leider muss ich Ihnen auf diesem Wege mitteilen, dass ich heute etwas unpässlich bin und an dieser schönen Zusammenkunft nicht selbst teilnehmen kann. Ich wollte es aber nicht versäumen, Ihnen allen einen herzlichen Gruß zu übermitteln. Ich blicke zurück auf ein Land, in dem ich eine glückliche Kindheit als Mädchen und Heranwachsende verbrachte. Damals war es nicht entscheidend, ob mich Mitschülerinnen oder Mitschüler wegen meines nicht mädchenhaften Aussehens gehänselt haben. Das konnte ich wegstecken. Doch seit Beginn dieses Jahres habe ich eine bisher nie gekannte Welle von Hass und Hetze erleben müssen, initiiert durch Medien, namentlich die Mitteldeutsche Zeitung, und illegal befeuert durch Behörden wie den sogenannten Verfassungsschutz.
Durch diese scheinbare Legitimität fühlten sich Tausende ermuntert, auf meinen Gefühlen herumzutreten, mich zu verhöhnen und zu verspotten. Auch eine starke Frau wie ich droht daran zu zerbrechen. Wahrscheinlich ist genau das auch das Ziel. Anders ist es nicht zu erklären, dass selbst Ministerien, bar jeder Legitimität, in der Öffentlichkeit meine Persönlichkeit mit Füßen treten und meine Würde zerschreddern. Hinzu kommt, dass ich permanent von Rabbinern und sogar dem Antisemitismusbeauftragten wegen meiner Religion verhöhnt und ausgelacht werde. Ich habe diese Menschen selbstverständlich angezeigt – so wie Tausende andere auch. Doch die Staatsanwaltschaften decken die Untaten dieser Hassmenschen.
Ich weine mich jeden Abend in den Schlaf. Nein! In einem solchen Land kann ich nicht mehr leben. Denn ich weiß, welch Hatz und Hetze diese misogyne Verbrecherbande über mich ausschütten wird, wenn ich für mehr als ein Jahr ins Gefängnis muss. Die Hänseleien, die ich als kleines Mädchen ertragen lernen musste, sind groß geworden. Für mich als erwachsene Frau sind sie nicht mehr zu ertragen. Ich schaue gerade zu euch, wie ihr da steht – auch über einen der vielen Livestreams. Ich danke allen, die Anteilnahme an meinem Schicksal zeigen. Und den anderen, diesen Hassmenschen, sage ich: Wer in einer solch riesigen Gruppe das Leben einer einzelnen, politisch verfolgten Frau zur Hölle macht, hat aus der Geschichte nichts gelernt.
Darum, darum habe ich mir diesen Schritt reiflich überlegt. Ich habe das Land verlassen. Heute bin ich nicht mehr hier, sondern in Sicherheit, in einem Drittland. Keiner meiner Anwälte wusste von dieser Entscheidung. Ich habe sie ganz allein getroffen. Für mich.
Ich grüße euch.“
