Bei der polnischen Präsidentschaftswahl siegte der nationalkonservative Nawrocki knapp. Doch in der polnischen Politik gibt es längst keine Regeln mehr.

(Bildmontage: Offensiv!; Standarte des polnischen Staatspräsidenten: Poznaniak, godło: Image:Herb Polski.svg, Public domain, via Wikimedia Commons; Donald Tusk: The White House, Public domain, via Wikimedia Commons; Karol Nawrocki: DHSgov, Public domain, via Wikimedia Commons; Rafał Trzaskowski: European People’s Party, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons)
In Polen wird der Kampf zwischen der nationalkonservativen PiS und der euroliberalen PO des amtierenden Ministerpräsidenten Donald Tusk seit Jahren mit allen Mitteln geführt. Nun versucht die Regierung Tusk, den designierten Staatspräsidenten Karol Nawrocki zu verhindern.
Die Wahl am 1. Juni hat Nawrocki mit einem hauchdünnen Vorsprung von 50,89 gegen 49,11 Prozent gewonnen. Sein Gegner war der PO-Kandidat und Bürgermeister von Warschau Rafał Trzaskowski. Wenn es nach der PO-Regierung geht, ist die Nachfolge von Andrzej Duda damit aber noch nicht entschieden.
Wahlbeschwerde
Am 16. Juni hat Trzaskowski das Ergebnis angefochten und seine Anhänger aufgefordert, es ihm gleichzutun. In Polen gibt es die sogenannte Wahlbeschwerde, mit der Bürger Unregelmäßigkeiten melden können sollen. Die PO-Anhängerschaft ist diesem Aufruf gefolgt und hat eine Rekordzahl von 54.000 dieser Wahlbeschwerden eingereicht. Justizminister Adam Bodnar lässt mit dieser Begründung die Staatsanwaltschaft ermitteln.
Polens Parteien erkennen einander die Richter nicht an
Die angefochtene Präsidentschaftswahl führt unvermeidlich in das eigentliche Kampfgebiet polnischer Politik: die Besetzung der Gerichte. In Polen erkennen die beiden großen Parteien, PiS und PO, die Legitimität der von der jeweils anderen Seite eingesetzten Richter nicht an. Es ist eine schwelende Staatskrise, die sich seit anderthalb Jahrzehnten verschlimmert. Nach jeder Machtübernahme, egal ob PiS oder PO, geht die neue Regierung gegen die von ihrer Vorgängerin ernannten Richter vor und versucht, ihre eigene Macht durch neue Richterernennungen und „Justizreformen“ abzusichern. Die Kammer des Obersten Gerichts, die über die Wahlbeschwerde entscheiden müsste, wurde unter der europakritischen PiS-Regierung geschaffen. Deshalb wird sie auch vom Europäischen Gerichtshof nicht anerkannt. Vom PO Justizminister ebenfalls nicht. Ja, in Polen erkennt der Justizminister die Legitimität eines Kammer des Obersten Gerichtshofes nicht an. Was die PO als nächstes tun wird, sollte die Kammer die Wahl bestätigen, ist unklar. Eine Auflösung der verfahrenen Lage zwischen den beiden Parteien scheint in weiter Ferne zu liegen.