Trump verspricht Geld. Ein Video macht die Runde, in dem US-Finanzminister Scott Bessent prahlt: Amerikas Verbündete finanzieren den USA einen Staatsfonds. Die Schande Europas? Nein. er blufft. Ein Kommentar von Johannes Konstantin Poensgen

Während Trump und Putin auch diesmal nicht wirklich über das Schicksal der Ukraine beschlossen, machte ein anderes Narrativ die Runde: Trump plündert Europa! Er erpresst die Europäische Union. 600 Milliarden für Investitionen, 750 Milliarden für LNG!
Dieser Erzählung hat Finanzminister Scott Bessent nun noch einmal Nahrung gegeben. Bessent erklärte, dass die Verbündeten der Vereinigten Staaten, konkret Japan, Südkorea und die europäischen Staaten, nach den neuesten Abkommen zur Beilegung der Zollstreitigkeiten in den Vereinigten Staaten investieren würden, und zwar „weitestgehend nach den Vorgaben des Präsidenten“.
Finanzminister Bessent: „Andere Länder stellen uns praktisch einen Staatsfonds zur Verfügung.“
Auf die Frage, wie das mit dem Kongress abgesprochen sei, erklärte er bei Fox News: „Andere Länder stellen uns praktisch einen Staatsfonds zur Verfügung.“ Den Kontext der Frage muss man verstehen. Die Frage des Interviewpartners zielte auf eine verfassungsrechtliche Frage innerhalb der USA ab: Ob der Präsident überhaupt über diese Summen verfügen dürfe, ohne die Zustimmung des Kongresses, der ja das Haushaltsrecht hat. Bessents Antwort geht dahin, dass er das sehr wohl dürfe, weil eben andere Länder diesen Staatsfonds bereitstellen, die Verteilung der Mittel damit nicht unter das Haushaltsrecht des Kongresses fielen.
Trump verspricht Geld. Wenn das stimmt, wäre der Präsident massiv gestärkt!
Wenn das alles so stimmen würde, dann wäre das innenpolitisch ein genialer Schachzug des US-Präsidenten, durch den er die Verteilung gigantischer Summen von Investitionsgeldern an die amerikanische Industrie allein von seinem Dafürhalten abhängig machen würde. Der Präsident wäre gegenüber dem Kongress massiv gestärkt. In einem Wort: Trump verspricht Geld. Geld das an amerikanische Unternehmen fließen soll und für das die Verbündeten der Vereinigten Staaten aufkommen sollen. Geld für das man sich, wenn man es denn erhalten wollte, auch innenpolitisch besser gut mit Trump stellen sollte.
Peinliche Bilder für Europa
Die sogenannten Verbündeten hingegen wären nicht einmal mehr Vasallenstaaten, sondern unterworfene Kolonien, die Tribute in der Höhe von Hunderten von Milliarden zu leisten hätten. Genauso ist das vielfach auch verstanden worden. Und es stimmt, dass sich gerade die Europäische Union demütigende Bilder mit Trump geleistet hat. Von der Leyens peinliches Foto, auf dem sie wie ein verschüchtertes Schulmädchen mit Trump den Daumen reckt, ist noch harmlos verglichen damit, dass Mark Rutte den US-Präsidenten tatsächlich „Daddy“ genannt hat.
Aber: Es stimmt eben nicht!
Nur, nichts von dem, was der Finanzminister da von sich gibt, stimmt! Weder die Verträge mit der Europäischen Union noch die mit Japan oder auch nur Südkorea sehen vor, dass irgendwer auf Anordnung des amerikanischen Präsidenten Geld in irgendetwas investiert!
Kein Cent Staatsgeld fließt in die USA
Zuerst: Keine dieser Zusagen – 350 Milliarden aus Südkorea, 550 Milliarden aus Japan und 600 Milliarden plus 750 Milliarden in LNG aus der Europäischen Union – beinhaltet auch nur einen Cent staatlicher Gelder, über welche die entsprechenden Regierungen direkt verfügen könnten. Es handelt sich bei diesen Zahlen um Absichtserklärungen, dass die privatwirtschaftlichen Akteure dieser Länder irgendwie in den Vereinigten Staaten investierten.
Dazu gibt es zwei Dinge zu sagen:
Erstens: Hinter keiner dieser Absichtserklärungen stecken irgendwelche einforderbaren Garantien. Am ehesten kann noch passieren, dass im Rahmen einer Public-Private-Partnership die Regierung eines Landes ihre Unternehmen ermuntert, vermehrt in den USA zu investieren. Dies geschieht zurzeit etwa bei dem südkoreanischen Schiffbauunternehmer Hanwha, der nun in die zurzeit praktisch nicht existente amerikanische Schiffbauindustrie investiert. Aber mehr als das kann gar nicht gemacht werden, um den großen Investitionsplan „nach Vorgabe des Präsidenten“ umzusetzen. Ein Staatsfond sieht anders aus.
Zweitens: Investitionen von Unternehmen aus einem Land in einem anderen Land finden in der globalisierten Wirtschaft ständig statt, und wenn man ihre Summen aufaddiert, dann sind sie gigantisch. Japanische Unternehmen hatten Ende 2024 etwa 783 Milliarden Dollar in den Vereinigten Staaten investiert, südkoreanische immerhin 78 Milliarden. Die Staaten der Europäischen Union ganze 2 Billionen! Und zwar europäische Billionen, bevor da ein Missverständnis aufkommt. 5,4 Billionen betrug damals die Summe des gesamten Auslandskapitals in den Vereinigten Staaten. Die Investitionen der Vereinigten Staaten im Ausland belaufen sich im Übrigen Stand 2024 auf die noch größere Summe von 6,68 Billionen Dollar. Das Ganze ist also keine Einbahnstraße.
Europa und Japan werden ihre Zusagen einhalten. Auf dem Papier.
Eines fällt auf: Das einzige Land, dessen Neuzusagen außerhalb des bisherigen Rahmens liegen, ist Südkorea. Dieses Land ist einen Katzensprung von China entfernt und wird von den USA garantiert. Was die Garantien im Ernstfall wert wären, das ist eine andere Frage. Aber weder die Europäische Union noch Japan haben irgendetwas Außergewöhnliches zugesagt. Ich glaube übrigens, dass beide ihre sogenannten Zusagen bis zu der abgemachten Frist von 2028 einhalten werden. Auf dem Papier. Denn die Investitionen sind ja nicht statisch. Sie werden ständig umgeschichtet. Anteile werden gekauft und verkauft. Im Zweifel wird man auch noch die Neuvergabe eines ausgelaufenen Kredits als Teil des Investitionspakets verbuchen. Im vergangenen Jahrzehnt waren jährliche Direktinvestitionen zwischen Dreihundert und Vierhundert Milliarden Dollar im Jahr in die US Wirtschaft nichts ungewöhnliches.
Wer betrügt hier wen?
Wer verkauft hier eigentlich wen für dumm? Als Politico vermeldete, dass die Europäische Union ihre Zielvorgaben nicht erzwingen könne, war die erste Reaktion, auch meine, dass sich Brüssel nun vollständig blamiert hat. Aber ehrlich gesagt: Das stimmt nicht. Eher könnte man meinen, dass die Verbündeten die US-Regierung über den Tisch gezogen haben mit großen Zusagen, auf die nichts Substanzielles folgen muss.
Trump und Bessent betrügen…
Aber was immer man von Trump und seinen Leuten halten mag – und Finanzminister Bessent tut in letzter Zeit wenig, um den Anschein zu vermeiden, er wäre ausschließlich für sein photogenes Aussehen zum Minister ernannt worden, ber realistischerweise kann man nicht annehmen, dass sie so unfähig sind, den Unterschied zwischen einer Zahlungsverpflichtung und einer Absichtserklärung über Investitionen, die Dritte leisten müssten, nicht zu kennen. Wer ist also das Ziel dieses Betrugs? Denn ein Betrug ist es, wenn Bessent von „praktisch einem Staatsfonds“ spricht, der dem Präsidenten zur Verfügung stünde, oder wenn Trump die Investitionszusagen als „Handgeld“ (signing bonus) bezeichnet. Dieser Betrug ist ein Bluff der Regierung Trump gegenüber der eigenen Bevölkerung. Sie haben nichts auf der Hand.
… und zwar die eigenen Leute
Die Verbündeten haben bedeutungslose Zusagen gemacht und dafür den Zollstreit beendet. Es ist aber auch ein innenpolitischer Bluff. Trump verspricht Geld. Indem vorgegaukelt wird, dass hier irgendetwas zu vergeben wäre, können vielleicht noch intern Versprechungen gegenüber den Leichtgläubigeren unter den Unternehmern, vor allem aber unter Kongressabgeordneten gemacht werden, die an ihren Wahlkreis denken. Letztere müssen das ja nicht einmal selbst glauben, sie müssen nur ihren Wählern erzählen, dass dadurch Jobs geschaffen werden. Nur, was sagt das über den Zustand der Regierung Trump aus, wenn sie zu solchen Mitteln greifen muss?